Wohl jeder hat schon einmal eine Kopie oder einen Abdruck dieses Pastells des Genfer Künstlers Jean-Étienne Liotard (1702–1789) gesehen, das zugleich eines der berühmtesten Werke ist, das man in der Dresdner Gemäldegalerie Alte Meister im Zwinger Dresden am Theaterplatz bestaunen kann.

Rosalba Carriera (die berühmte italienische Pastellmalerin der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, deren Werke ebenfalls zum Bestand der Gemäldegalerie Alte Meister zählen) wertschätzte das Bild „Das Schokoladenmädchen“ rund-heraus als „das schönste Pastell, das man je gesehen hat“.

Jean-Etienne Liotard - Das Schokoladenmädchen (Pastell, 1744)

Die Sonderausstellung „Das Schokoladenmädchen“

Erstmals ermöglichte es diese Sonderausstellung, das Schokoladenmädchen als einen Teil des gesamten Oeuvres von Jean-Étienne Liotard wahrzunehmen. Gemeinsam mit mehr als 100 weiteren herausragenden Werken, von denen ein großer Teil aus Leihgaben von internationalen großen Sammlungen, aus Privatbesitz und aus weiteren Museen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden stammte, zeigte die Schau die Kunst Liotards, dessen Pastellmalerei und insbesondere dessen „Schokoladenmädchen“ bereits zu seinen Lebzeiten außerordentlich geschätzt wurden. Einblicke in das umfangreiche Schaffen des Zeichners und Malers gewährten über 40 Pastelle, Zeichnungen, Ölgemälde und Grafiken. Damit war Liotard in den Genres Porträts, Stillleben, Kostümstudien, Kupferstiche und anderem mehr zu Hause.

Ein wichtiger Schwerpunkt der Sonderausstellung Das Schokoladenmädchen war der Künstler selbst. Liotard hielt sich viele Jahre zunächst in Paris, später dann in Konstantinopel und anderen Gebieten des Osmanischen Reiches auf. 1743–45 hingegen hielt er sich mit großem Erfolg in Wien auf, wo neben Auftragsarbeiten für die Kaiserin Maria Theresia eben auch das Schokoladenmädchen entstand.

Im Rahmen der Sonderausstellung vermittelten desweiteren zwei Medienstationen Informationen über die zahlreichen und langen Reisen, die den Künstler durch Europa führten. Zudem wurden Einblicke in die Technik der Pastellmalerei gewährt, was vor allem mittels der naturwissenschaftlichen Untersuchungsergebnisse, die bei der Analyse des Pastells „Das Schokoladenmädchen“ gewonnen wurden, erreicht wurde. Dankenswerter Weise hatte sich die alte Pariser Manufaktur „La Maison du Pastel“ zur Unterstützung dieser Sonderausstellung bereit erklärt, so daß mit ihrer Hilfe die Herstellung von Pastellkreiden gezeigt werden konnte.

Die Sonderausstellung „Das Schokoladenmädchen“ konnte im Zeitraum vom 28. September 2018 bis zum 6. Januar 2019 besichtigt werden. Ausstellungsort war der Zwinger Dresden, genauer gesagt die Sempergalerie.

Das Buch zur Sonderausstellung „Das Schokoladenmädchen“

Im renommierten Hirmer-Verlag erschien am 1. September 2018 unter dem Titel ‚DAS SCHÖNSTE PASTELL, DAS MAN JE GESEHEN HAT‘. Das Schokoladenmädchen von Jean-Étienne Liotard“. Der Begleitband zur großen Sonderausstellung „Das Schokoladenmädchen“.

In einem Format fast so groß wie DIN A4 führt der Band auf 272 Seiten durch die Epoche seiner Entstehung während des französisch inspirierten Rokokos und in das Wien Kaiserin Maria Theresias, wo das Bild gemalt wurde, und beleuchtet die Pastellmalerei, in der das zauberhafte Meisterwerk ausgeführt ist. Anhand exemplarische Werke aus seinen anderen Schaffensperioden wird der Überblick über das Œuvre Liotards ergänzt.

Das Schokoladenmädchen - Begleitband zur Sonderausstellung

Zum Bild „Das Schokoladenmädchen“

Das hierzulande unter dem Titel „Das Schokoladenmädchen“ bekannte Werk hat eigentlich einen etwas umfangreicheren Namen: “La Belle Chocolatière de Vienne” (also übersetzt etwa „Das schöne Wiener Schokoladenmädchen“) ist eine Pastellmalerei auf Pergament im Hochformat 83 cm × 53 cm und wurde von Jean-Étienne Liotard im Zeitraum zwischen 1743-1745 geschaffen, wobei einiges für den Dezember des Jahres 1744 spricht.

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Liotard suchte sich für sein berühmtestes Bild, für das er keinen Auftraggeber hatte, ein für die damalige Zeit ungewöhnliches Motiv, nämlich eine namenlose junge Bedienstete, die Schokolade serviert. Gemalt wurde das Bild relativ kurz vor Liotards Verlassen Wiens in Richtung Venedig. Vielleicht sollte es ihm in seiner neuen, in künstlerischen Dingen anspruchsvollen Heimat als eine Referenz, als eine Art Türöffner und Quelle neuer Aufträge dienen. Falls dem so war, ging Liotards Rechnung auf, denn in der Lagunenstadt – und nicht nur dort – war man für „Das Schokoladenmädchen“ voll des Lobes. Liotard schuf einerseits eine sehr detaillierte Zeichnung, andererseits gelangen ihm makellose, porzellanhaft glatte Oberflächen, mit der er den Zeitgeschmack des Rokoko traf.

In Venedig kam Liotard mit Francesco Graf von Algarotti (1712-1764) in Kontakt. Dieser Schriftsteller, Kunstkritiker und Kunsthändler machte 1742 am sächsischen Hof in Dresden den kunstinteressierten König August III. (der Sohn Augusts des Starken) mit einer geist- und kenntnisreichen Denkschrift über mögliche Ergänzungen der königlichen Kunstsammlungen auf sich aufmerksam. Der sächsische Kurfürst und polnische König schickte Algarotti im März 1743 nach Italien, um qualitativ hochwertige Bilder für die Kunstsammlungen in Dresden zu erwerben, u.a. für das in Dresden gerade entstehende Pastellkabinett. Bis 1746 unternahm Algarotti vier Reisen nach Italien und kaufte dort 34 Bilder, von denen viele bis heute zu den bedeutendsten Ausstellungsstücken der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden zählen. Belohnt wurden diese Mühen mit der Ernennung Algarottis zum Kriegsrat.

Im Februar 1745 erwarb Algarotti von Liotard dessen „Das Schokoladenmädchen“ und sandte es nach Dresden, wo es seitdem seine Betrachter begeistert. Das dargestellte Mädchen trägt eine rosa Seidenhaube auf ihrem Haar; bekleidet ist sie zudem mit einer weißen Schürze über ihrem grauen, bodenlangen Rock. Über dem gelben Mieder trägt sie einen weißen Kragen. In ihren Händen hält sie ein kleines Lacktablett mit einem Glas Wasser und einer heißen Schokolade. Die Porzellantasse steht in einer Trembleuse, einem Gestell zur Stabilisierung der wertvollen Tasse. Heiße Schokolade war wie auch Schokolade in Pralinenform in der Entstehungszeit von Liotards Meisterwerk eine ausgesprochene Kostbarkeit und somit nur für die Oberschicht erreichbar. Getrunken wurde sie üblicherweise morgens mit einem Glas Wasser und galt nicht nur als teures und exotisches Genußmittel, sondern durchaus auch als ein Heiltrank.

Von der künstlerischen Qualität und der Popularität des Pastells „Das Schokoladenmädchen“ zeugen sowohl die vielen Kopien, die bereits seit dem 18. Jahrhundert in Pastell oder Öl angefertigt wurden, als auch die zahlreichen grafischen und fotografischen Reproduktionen. Sie förderten die weite Verbreitung und internationale Rezeption von Liotards Kabinettstück. „Das Schokoladenmädchen“ war zudem seit dem 19. Jahrhundert in der Volkskunst und Werbung sehr beliebt.

Jean-Étienne Liotard – der Maler des Pastells „Das Schokoladenmädchen“

Geboren wurde Jean-Étienne Liotard 1702 in Genf, wo er bei Daniel Gardelle ausgebildet wurde. 1723 bis 1736 war er Schüler des Historien- und Miniaturmalers Jean-Baptiste Massé in Paris, wobei er sich Er konzentrierte sich vor allem auf Porträts, und dabei insbesondere auf Pastell- und Miniaturbildnisse. Nach Abschluß seiner Ausbildung begab er sich ab 1736 auf eine mehrjährige Reise durch Italien, Griechenland.

Ab 1738 bereiste er ausgiebig das Osmanische Reich und das Fürstentum Moldau und arbeitete lange in Konstantinopel, gekleidet als Türke. Zurück in Europa inszenierte er sich auch weiterhin mit langem Bart und Pelzmütze als selbsternannter „türkischer Maler“. Da er sich so auch porträtierte, blieb er mit diesem Bild von sich der Nachwelt in Erinnerung.

Im Jahr 1743 kam Liotard nach Wien; dort entstand im Jahr darauf wie bereits erwähnt „Das Schokoladenmädchen“, das sich im Besitz der Gemäldegalerie alte Meister im Zwinger Dresden befindet. Am Hofe Maria Theresias kam er auch in engen persönlichen Kontakt mit der habsburger Kaiserin und konnte sie mehrfach porträtieren, übrigens auch in türkischen Kostümen. 1745 hielt er sich in Venedig auf, wo er seinen Bruder Michel besuchte, und wandte sich anschließend nach später in Wien, Frankfurt am Main und Darmstadt, bevor er wieder in seiner alten Heimat Genf ankam. Dem folgte zwischen 1748 und 1753 eine von vielen Werkaufträgen geprägte Zeit in Paris. Danach ging er nach London, wo er zahlreiche Aufträge der englischen Aristokratie erhielt, deren Mitglieder sich von ihm besonders gern porträtieren ließen, wie beispielsweise auch der  Prince of Wales, der spätere König George III. Bevor er sich 1758 wieder in Genf niederließ, heiratete er in Amsterdam noch die Tochter eines französischen Kaufmanns.
Jean-Etienne Liotard - Selbstbildnis, erstellt 1744 als Pastell

Bis zum Lebensende blieb er in Genf tätig, wo er das Genre des Stilllebens innerhalb seines Schaffens weiter ausbaute und ihm neben den Porträts im Laufe der Zeit einen größeren Stellenwert verschaffte. Trotz seines zunehmenden Alters unternahm er weiterhin Reisen nach Wien (1762), Paris (1770), London (1773), Wien (1778). Liotard starb nach einem schaffensreichen Leben 1789 in Genf. Heute finden sich seine Werke neben der Galerie Alter Meister hier in Dresden vor allem auch im Genfer Musée d’art et d’histoire, im Amsterdamer Rijksmuseum, im Schlossmuseum zu Weimar und auf Schloss Holdholm in Dänemark.

Die Pastellmalerei

Unter Pastellmalerei – der Begriff leitet sich übrigens aus dem italienischen pasta „Teig“ ab – versteht man eine Technik, bei der man Pigmente auf einen Malgrund wie beispielsweise Papier, Pappe oder natürlich auch Leinwand aufträgt. Dabei mischen sich die Möglichkeiten des Zeichnens mit denen der Malerei. Es können reine Pigmente verwendet werden, häufiger nutzt man die runden oder eckigen Kreiden oder Pastellstifte.

Die Pigmente haften auf dem Papier nur sehr schwach, was einerseits einen rauen Malgrund erfordert und andererseits die fertigen Pastelle sehr empfindlich macht. Um die Haftung der Pigmente auf dem Malgrund zu gewährleisten, werden die Pastelle mit einem Fixativ behandelt. Die Fixierung erfolgt nach Fertigstellung eines Pastellbildes oder auch nach einzelnen Arbeitsschritten mit schichtweisem Farbauftrag. Trotz der Verwendung von Fixativen sind die Bilder sehr empfindlich und werden daher häufig verglast, um eine Berührung der Oberfläche zu vermeiden.

Bei der Pastellmalerei werden die Farben, die sich dabei sehr gut miteinander mischen lassen, in staubigen Schichten aufgetragen und anschließend mit den Fingern oder speziell dafür gemachten Pinseln verwischt. Bedingt durch die Dünne der Farbschicht und ihre Konsistenz beeinflußt die Farbe des Untergrundes die Wirkung des Bildes bei der Pastellmalerei ganz erheblich, weshalb verschiedenfarbige Papiere zur Grundausstattung jedes Pastellmalers gehören.

Bereits seit dem späten 15. Jahrhundert werden Pastellkreiden verwendet, wobei zunächst nur die Farben Weiß, Schwarz und Rot zur Verfügung standen und mit ihnen vor allem Skizzen bzw. Strichzeichnungen angefertigt wurden, so beispielsweise durch Raffael und Michelangelo. Wie das Bild „Das Schokoladenmädchen“ wunderbar unterstreicht, wurde die Hochblüte der Pastellmalerei im 17. und 18. Jahrhundert erreicht, und hier vor allem im Bereich der Porträtmalerei, wobei gerade die samtig-matte Oberfläche der Pastelle den Porträts eine besondere Leuchtkraft verleiht, die neben den weichen Übergängen, die diese Technik so auch gestattete, gerade im Rokoko überaus beliebt war. Neben Jean-Étienne Liotard sind die Maler Joseph Vivien, Maurice Quentin de La Tour, Jean Siméon Chardin, Edgar Degas, Édouard Manet, Odilon Redon und Pablo Picasso als wichtige Pastellmaler zu nennen. Aber auch zwei Damen errangen in diesem Genre großen Ruhm: Die Venezianerin Rosalba Carriera (1675–1757; sie verlieh der Pastellmalerei eine bis dahin nicht erreichte Bedeutung, was insbesondere durch den sächsischen Kurfürsten und polnischen König August III. honoriert wurde, indem dieser die größte Sammlung ihrer Bilder in Dresden zusammentrug) und die Französin Élisabeth Vigée-Lebrun (1755–1842); ihre Porträts waren in ganz Europa sehr beliebt und begehrt.